Tourismus mit und nach Corona
In den letzten Wochen wurde ich vielfach von meinen Leser*innen von „Tourismus 2025 – Fit für die Zukunft?“ und meinen Kunden gefragt, was sich in Tourismus, Hotellerie und Gastronomie mit und nach Corona ändern wird. Es sind Fragen, wie: „Worauf müssen wir uns in der Hotellerie vorbereiten?“, „Wird es einen Tourismus so, wie davor geben?“, „Sollen wir die Preise nach unten anpassen, um die Gäste anzulocken?“
Das Corona-Virus hat die Menschen weltweit vor eine neue Realität gestellt – es zeigt uns, wie verwundbar wir sind. Laut de.statista.com sind weltweit ca. 2 Mio. Menschen nachgewiesen an Corona erkrankt (Stand: 15.04.2020 Dunkelziffer ist weit höher) und etwa 6 % davon sind gestorben. Im Schnitt hat jeder Mensch ca. 15 Personen im engsten Beziehungsgeflecht (engste Verwandte und Freunde). Das würde bedeuten, dass es heute bereits ca. 30 Mio. Menschen gibt, die emotional direkt betroffen sind. Ich fürchte, dass wir am Ende der Corona-Pandemie min. 60 Mio. direkt emotional betroffene Menschen haben werden. Welche Auswirkungen das auf den Tourismus, die Hotellerie und Gastronomie hat, was Betriebe tun können und welche Chancen die Corona-Krise insgesamt für den Tourismus hat, lesen Sie in den folgenden Ausführungen.
Was passiert im Tourismus, in der Hotellerie/Gastronomie in Folge des Corona-Virus?
Das Virus zwang einer verwöhnten „overbooked“-Hotellerie und einem „überhitzten“ Tourismus, von einem Tag auf den anderen eine Vollbremsung auf NULL hinzulegen. Alle wurden eiskalt erwischt, auch jene Menschen und Betriebe, die indirekt vom Tourismus leben, wie Handwerks- und Landwirtschaftsbetriebe, Lebensmittelgroßhändler etc. Es ist für alle eine völlig neue Herausforderung, mit der wir zu kämpfen haben. Der Blick in die Glaskugel ist bei der Corona-Krise nicht wirklich seriös, so ehrlich muss man sein – es gibt zu viele neue, unbekannte Faktoren. Das Corona-Virus wird seine Nachwirkungen im Tourismus, in der Hotellerie und Gastronomie zeigen, die sich durchaus die nächsten zwei Jahren bemerkbar machen können.
Klar ist, es wird drei wesentliche Konsequenzen geben; wirtschaftliche, verhaltensbezogene und rechtlich/politische.
Die österreichischen Touristikbetriebe haben nicht nur das heurige Ostergeschäft verloren, sondern sie werden auch hohe Einbußen für den heurigen Sommer bei ausländischen Übernachtungsgästen als auch teilweise bei Inlandsgästen spüren. Laut Österreich Werbung wurden in Österreich im Jahr 2019 über 55 Mio. ausländische Übernachtungen zwischen Mai und Oktober verzeichnet. Das sind 70 % aller Übernachtungen im Sommer 2019 und knapp 10 Mrd. Euro Einnahmen, die bei anhaltenden Grenzschließungen über den Sommer verloren gehen.
Hier ist der Tagestourismus, der hohen wertschöpfenden Einfluss auf die Gastronomie, Freizeitbetriebe, Museen etc. hat, noch gar nicht berücksichtigt.
So lange unsere Quellenmärkte, vor allem Deutschland mit 29,4 Mio. Nächtigungen, mit dem Virus zu kämpfen haben und die Grenzen für den „normalen“ Personenverkehr geschlossen sind, muss der heimische Tourismus, die Hotellerie und Gastronomie im heurigen Sommer mit österreichischen Gästen auskommen. Laut Österreich Werbung lag der Anteil der Übernachtungen von heimischen Gästen im Sommer 2019 bei 30 %; absolut 14 Mio. Gäste. Setzt man auch bei den Inlandsgästen den Rotstift mit 50% an, würden nochmals 2 Mrd. Euro an Übernachtungsumsätze verloren gehen.
Was begründet den 50 %igen Abzug?
- Potentielle Inlandsgäste, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, werden den Urlaub aufgrund Einkommensverluste vermutlich heuer auslassen, auch, wenn sie nach der Krise im Sommer einen Job finden
- Menschen in Kurzarbeitszeit, die bereits den heurigen Urlaub und Zeitausgleich abgebaut haben, werden daher auch reduziert in den Urlaub fahren
- Viele tausend EPU`s und Kleinst- und Kleinbetriebe, Künstler, Therapeuten etc. in Österreich, die seit Mitte März ohne Umsatz und daher ohne Einkommen leben, werden sich überlegen, ob Urlaub heuer finanziell möglich ist
- Ältere Personen ab 60 Jahren, die meiner Einschätzung auch noch in den kommenden Monaten zur „gefährdeten“ Gruppe des Corona-Virus gehören, werden Urlaub im großen Stil eher vermeiden und
- Zu guter Letzt wird es auch viele Menschen geben, zum Teil auch mit Vorerkrankungen, die aus dem Titel "Vorsicht" heuer zu Hause bleiben
Ansteckungsrisiko, Hygiene und guests-distancing
Der Tourismus, die Hotellerie und Gastronomie, so wie wir es gewohnt sind, wird erst wieder stattfinden, wenn wir einen hohen Immunisierungsgrad in der Bevölkerung erreichen, um das Ansteckungsrisiko gering zu halten oder ein Medikament bzw. Impfstoff erhältlich ist. In Österreich ist der Immunisierungsgrad kaum vorhanden (nicht mal 1 % der Gesamtbevölkerung), so ist die Wahrscheinlichkeit für eine zweite Infektionswelle leider durchaus im Rahmen des Möglichen.
Wenn der Tourismus, die Hotellerie und Gastronomie Mitte Mai wieder Lebenserscheinungen zeigen dürfen, werden uns die Themen „Hygiene“ und „guests-distancing“ noch einige Zeit begleiten. Was wir heute noch nicht wissen ist, welche Auflagen Betriebe von der Bundesregierung zu den beiden genannten Faktoren auferlegt bekommen und wie die Regelungen für das Einreisen von ausländischen Gästen bis Ende des Jahres gehandhabt wird.
Was können Hotel- und Gastronomiebetriebe nun tun?
- Liquidität unbedingt sichern. Kosten sinnvoll reduzieren. Förderungen und Zuschüsse sinnvoll ausnutzen
- Berechnen, ob und wann Aufsperren mit halbleerem Haus profitabel ist
- Unbedingt mit den Gästen in Kontakt bleiben – Vertrauen schaffen
- Auf keinen Fall dem Preisdumping verfallen – über den (Mehr-)Wert, Zusatzleistung, Upgrades und Vertrauen verkaufen
- Aktiv „Hygiene“-Maßnahmen für Gäste erarbeiten und kommunizieren – Vertrauen schaffen
- Maßnahmen und Serviceleistungen zum sinnvollen „guests-distancing“ erarbeiten und mit den Mitarbeiter*innen trainieren
- Kurzfristig neue Vermietungsgäste ansprechen, z.B. Räumlichkeiten zum Arbeiten an Selbstständige, Menschen im home-office etc. vermieten – mit und ohne Verpflegung
- Neue Services überlegen, wie privat cooking auf Distanz mit Abhol- und Lieferservice
- Spezielle Kurzurlaubspackages anbieten
- und zu guter Letzt, die Gelegenheit am Schopf packen, das eigene Geschäftsmodell als GANZES in Hinblick „Zukunft“ und „Ertragsfähigkeit“ kritisch hinterfragen und schärfen
Die gute Nachricht
Aus meiner Sicht wird Urlauben in den Alpen wird weiterhin höchste Begehrlichkeit bei den Gästen haben, da das Reisen ein zu intensives Verlangen bei den Menschen auslöst und das Produkt „Alpenurlaub“, Sommer wie Winter, zu attraktiv und alternativlos ist. Das Image von Österreich als Urlaubsdestination wird ungebrochen positiv sein. Auch, wenn Tirol derzeit in Kritik im Zusammenhang mit dem Corona-Virus steht, wird das positive Image als TOP Urlaubsdestination langfristig aufrecht bleiben.
„Das Virus hat uns auf den Boden der Realität gebracht und zwingt uns sprichwörtlich uns neu zu „erden“. Es hat uns schlagartig und auf heftigste Weise wieder in Erinnerung gerufen, was tatsächlich wichtig ist im Leben.
Familie
Gesundheit
Heimat
Zusammenhalt
Achtsamkeit
Moral & Ethik
Diese Werte werden uns nicht nur im Leben nach Corona, sondern auch im Tourismus, in der Hotellerie und Gastronomie noch deutlicher begegnen. Ob wir wollen oder nicht, viele Millionen Menschen werden sich mit moralischen Fragen beschäftigen und werden diese Werte aufgrund des Corona-Virus neu erfahren - und diese Erfahrung sitzt sehr tief.
Deshalb bin ich auch fest davon überzeugt, dass die beiden bereits existierenden Wertefelder „Native-ECO“ und „Inspiration/Achtsamkeit“, die ich in meinem Buch „Tourismus 2025 – Fit für die Zukunft?“ beschrieben habe, noch mehr Relevanz für die Gäste beim Urlauben haben werden. Das bedeutet, die bewusste „Diät“ vom Alltagstress, die Flucht aus dem „Dauerrausch“ von Einflüssen, die Suche nach erlebnisorientierter Inspiration zur aktiven Entschleunigung sowie der Sinn für Regionalität und umwelt- und klimaschonendes Urlauben werden zunehmen. Dafür liefern die Alpen grundsätzlich die besten Möglichkeiten.
Neue Chancen für Tourismus/Hotellerie/Gastronomie
In meinen Gedankenreisen rund um den „Tourismus mit und nach Corona“ bin ich sehr schnell abgebogen in die Fragen der Sinnhaftigkeit. Weshalb gibt es das Corona-Virus? Welchen Sinn hat es und was verändert das Virus? Ich konnte keinen Sinn darin erkennen, dass so viele Menschen an den Folgen von Corona erkranken und sterben, dass Familien in wirtschaftliche Nöte geraten und, dass so viele Betriebe von der Existenz bedroht sind und möglicherweise aufgeben müssen.
ABER
Es macht sehr wohl Sinn, die Krise als DIE CHANCE zu sehen, Dinge in Veränderung zu bringen!
Es macht Sinn darüber nachzudenken, festgefahrene Verhaltensmuster und Geschäftsmodelle zu überdenken und behutsam und sinnvoll zu verändern.
Im touristischen Kontext ergibt sich die Chance, dass…
…, wir uns weniger mit „immer mehr“ und „Massenabfertigungen“ beschäftigen, sondern mit Individuen und deren Bedürfnisse…
…, wir die Infrastruktur der Alpen und unsere Kultur nicht nur bereitstellen, sondern sie den Menschen spannend und kreativnäherbringen…
…, jeder Einzelne nachdenkt, mehr über den (eigenen) WERT als über den PREIS zu verkaufen…
…, wir alle mehr gesunde und saubere Luft atmen werden, wenn wir die Formen und Angebote der Mobilität für unsere Gäste verändern…
…, Beherbergungs- und Gastrobetriebe ihre Geschäfts- und Ertragsmodelle deutlich auf Profitabilität ausrichten sollten…
…, wir viel mehr lokale/regionale Netzwerke und Partnerschaften eingehen sollten, anstatt sich neidvoll abzugrenzen…
…, wir uns wieder mehr auf das Familienleben besinnen und nicht die gesamte Energie in den Betrieb investieren…
…, dass wir gut gemeinte, glorreiche Ideen in den touristischen Gemeinden nicht durch sinnloses Politisieren und Kräftemessen im Keim ersticken…
…, dass wir jungen, gut ausgebildeten Menschen die beruflichen Aussichten im Tourismus, in der Hotellerie und Gastronomie schmackhaft und begehrlich machen und sie nicht „ausbeuten“ und Mittel zum Zweck betrachten…
und, dass die Politik bundesweit nachdenkt, welche tragende Rolle der Tourismus, die Hotellerie und Gastronomie für die Wertschöpfung und den Wohlstand in Österreich hat und daher demotivierende „Beamten-Bürokratie“ auflöst.
FAZIT:
Das Corona-Virus hat uns alle eiskalt erwischt; wirtschaftlich, emotional und viele tausend auch gesundheitlich. Es zwingt uns, uns auf neue Gegebenheiten flexibel einzustellen, um unser Leben und unser Geschäft wieder auf Touren zu bringen. Die Corona-Krise hat uns aber auch vor Augen geführt, was im Leben zählt: Familie – Heimat – Gesundheit – Zusammenhalt - Achtsamkeit – Moral & Ethik.
Der Tourismus, die Hotellerie und Gastronomie werden mittelfristig (1 – 2 Jahren) wieder zu ihrer „Normalität“ finden. Jeder, ob Tourismusdirektor, Verantwortliche im Tourismusverband, Gastronom, Hotelier, Appartementbetreiber, Politiker, Seilbahnbetreiber etc., kann für sich entscheiden, ob man zur gewohnten „Normalität“ zurückkehrt oder aus dieser Krise lernt.
Jeder kann für sich reflektieren und entscheiden, wo Potentiale sind, neue Chancen zu nutzen.
JETZT ist die beste Gelegenheit Veränderung spürbar einzuläuten.
Wir unterstützen Sie gerne dabei, den Veränderungsprozess mit System und Sorgfalt erfolgreich zu gestalten. Wir begleiten Sie mit unserer erfolgserprobten Erfahrung auf dem Weg in die Zukunft. Ob Pension, Restaurant, 5-Stern Hotel oder Tourismusdestination, für alle gilt es, sich vom Nachbarn abzuheben, für bestimmte Gäste einen hohen Nutzen und Wert zu schaffen und letztlich eine hohe Profitabilität sicherzustellen. Achten Sie auf die Zeichen der Zeit!
Mehr zu unserer Hotel- und Tourismusberatung finden Sie hier.
Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft und für Ihren Veränderungsprozess viel Mut, Kreativität und Ausdauer. Für Rückfragen oder persönliche Meinungen zu den Themen, stehe ich Ihnen jederzeit gerne unter ch.albrecht@acconsulting.co.at zur Verfügung und freue mich, wenn Sie mir schreiben.
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Bleiben Sie gesund!
Ihr Christoph Albrecht
Buchinformation und Bestellung des Buches: „Tourismus 2025 – Fit für die Zukunft?“ unter www.tourismus2025.at